Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit der Vegetationsgeschichte und der Bodenentwicklung in Rheinhessen seit dem Ausgang des Pleistozäns. Nach einem kurzen geologisch-geomorphologischen Überblick wird in einem gesonderten Kapitel auf den Löß, als eine den Raum kennzeichnende Besonderheit, eingegangen. Der Hauptteil beschreibt dann die Bodenverhältnisse in Rheinhessen und deren Entwicklung sowie die Vegetationsgeschichte im genannten Zeitraum.
Rheinhessen, das naturräumlich als "Rheinhessisches Tafel- und Hügelland" bezeichnet werden kann, ist eine weitgehend offene, sehr waldarme Landschaft. Sie liegt im nördlichen Knie des Oberrheins, das von den Städten Worms, Mainz und Bingen markiert wird. Die Nord- und Ostgrenze wird durch den Verlauf des Rheins vorgegeben (Ingelheimer Rheinebene bzw. Nördliches Oberrhein-Tiefland). Somit ist in diesem Bereich der wechselnd schmale und breite Saum des Rheins, auch aufgrund annähernd gleicher Reliefentwicklung, ebenfalls zu berücksichtigen. Die Westgrenze ist als orographische Grenze durch das sich über das Tafel-und Hügelland erhebende Saar-Nahe-Bergland mit dem markanten Donnersberg im Südwesten beschrieben. Der Südrand des Raumes wird dagegen vom Haardtrand, dem Übergang zum Pfälzer Wald, gebildet.
Das Rheinhessische Tafel- und Hügelland liegt im zentralen Bereich des geologischen Mainzer Beckens. Das Mainzer Becken, dessen Einsenkung im Oligozän erfolgte, ist als Bucht des eingebrochenen Oberrheingrabens zu verstehen. In dem Becken, das mehrfach in Schwellen und Becken gegliedert war, lagerten sich in der Folgezeit marine bis brackisch-limnische Sedimente ab. Diese können sehr grob in zwei Gruppen eingeteilt werden, die auch morphologisch zwei Stockwerke bilden:
Diese Sedimente liegen direkt Schichten des Rotliegenden auf, so daß Ablagerungen des Mesozoikums fehlen.
Bereits im Miozän begann die terrestrische Entwicklung des Gebietes mit Verwitterungs-, Bodenbildungs- und Umlagerungsprozessen in einem zunächst subtropisch-mediterranem Klima. Im Übergang zum Pleistozän entstand dann der morphologische Gegensatz zum Oberrheingraben und es entwickelte sich das heute Flußnetz. Während des Pleistozäns war das Rheinhessische Tafel- und Hügelland wie das übrige eisfreie Mitteleuropa Periglazialgebiet mit all seinen zugehörigen Prozessen und Erscheinungen.
Die wichtigsten Oberflächenformen werden bereits durch die Bezeichnung "Tafel- und Hügelland" angedeutet: Das Tafelland mit den mehr oder weniger weiträumigen Plateaus und das Hügelland mit den Ausräumzonen zwischen den Plateaus und ihrem Vorland sowie durch das Riedelland.
Die Hauptbildungsphasen des Lösses waren die Hochglaziale. Die Lößanwehung erfolgte aus dem Westen und brachte überwiegend fluviatiles Material aus den kaltzeitlich trockengefallenen Flußbetten und zumindest zeitweise Material von den Plateaus und den westlich anschließenden Hochgebieten im Rotliegenden. Die Lößakkumulation erreicht sehr große Mächtigkeiten, die an günstigen Stellen, Mulden und Leelagen, 10 und mehr Meter sein kann. Die Verbreitung des Löß' wird im Westen durch den Gebirgsrand des Glan-Alsenz-Berg- und Hügelland begrenzt.
Während der Löß in den Tälern der nordwest-rheinhessischen Bäche fehlt, befinden sich die Hauptvorkommen auf den Plateaus, an deren Hängen und im gesamten Riedelland. In diesen Gebieten ist eine nach der Exposition der Hänge unterschiedliche Verteilung festzustellen. Dabei sind die nach Süden, Südwesten und Südosten exponierten Hänge vielfach lößfrei, weil auf diesen sonnenseitigen Hängen eine intensivere Solifluktion, verstärkt durch den quellfähigen, leicht rutschenden Mergel, den Löß hangabwärts beförderte, wenn er nicht bereits bei Abspülvorgängen abtransportiert wurde.
Überhaupt ist primärer, noch in situ lagernder Löß nicht mehr oder nur noch selten anzutreffen. Meistens handelt es sich um Solifluktionslöß oder Schwemmlöß. Fast der gesamte, oberflächennahe Löß des Rheinhessischen Tafel- und Hügellands ist würmzeitlichen Alters. Dies geht aus der Lage eines datierbaren Tuff-Bändchens, des sog. Kärlicher oder Eltviller Ausbläsers, hervor, dessen Alter mit 19.200 plus/minus 1.900 Jahre b.p. bestimmt wurde. Nur im Liegenden des Würmlösses oder auf einigen Talterrassen tritt älterer Löß auf. Dieser ist meistens riß-kaltzeitlichen, seltener mindel-kaltzeitlichen Alters.
Die Böden in ihrer heutigen Verbreitung spiegeln im wesentlichen die Relief- und die Untergrundverhältnisse wider. Aufgrund der vorkommenden Böden können zwei große Bereiche unterschieden werden:
Weite Teile der rezenten Landoberfläche Rheinhessens werden von tschernosemartigen Böden eingenommen, die zu den Steppenböden gehören. Diese Steppenböden können nicht unter den heutigen Klimabedingungen entstanden sein. Sie ist also als Reliktböden anzusehen. Zu ihrer Erhaltung trug im wesentlichen das günstige niederschlagsarme und warme Klima Rheinhessens bei.
Zur Zeit der Lößablagerung im Hochglazial fand noch keine zu den heutigen Böden führende Bodenentwicklung statt. Die Bildung der Steppenböden begann erst im Postglazial als im Präboreal ein Anstieg der Temperaturen einsetzte, der im Boreal zu einem ausgesprochen kontinentalen Klima führte. Das Boreal gilt als Hauptbildungszeit der Steppenböden. Diese setzte jedoch bereits im Atlantikum wieder aus. Die feuchtwarmen Klimaverhältnisse dieses postglazialen Klimaoptimums führten sogar zu einer Degradation der Böden, die sich in einer allgemeinen Entkalkung der Böden zeigte. Diese Phase wurde an der Wende Atlantikum/Subboreal von einer Regradationsphase abgelöst, in der die entkalkten Steppenböden wieder aufgekalkt wurden. Unter den heutigen Bedingungen bleiben die Steppenböden weitgehend erhalten, ihre räumliche Ausdehnung wird aber durch Erosionsprozesse ständig verringert.
Für die Betrachtung der Vegetationsgeschichte scheint eine Trennung von Tafel- und Hügelland und Rheinaue sinnvoll, weil sie eine unterschiedliche Entwicklung aufweisen. Deshalb wird hier zunächst die Vegetationsgeschichte der Rheinaue und abschließend die des Tafel- und Hügelland vorgestellt.
Nach mehreren anderen Untersuchungen konnte LESSMANN (1983) aufgrund von Pollenanalysen an Niedermoorprofilen aus der Rheinaue die Vegetationsgeschichte im Nördlichen Oberrheintal so rekonstruieren wie sie in Tabelle 1 dargestellt ist.
Zonale Vegetation | Begleitende Krautvegetation | |
Subatlantikum |
Eichen-Kiefern-Buchen-Wälder; lokal: erlenarm |
sehr gräserreich |
Subboreal |
Eichen-Kiefern-Wälder mit Lindenbeimischung; lokal: erlenreich |
stärkere Bewaldung; ------------- gräser- und kräuterreich, Kultur- und Steppenanzeiger |
Atlantikum |
Eichen-Ulmen-Kiefern-Wald; lokal: erlenarm oder -reich |
gräser- und kräuterreich |
Boreal |
lichter Kiefern-Eichen-Wald mit Ulmen-Beimischung; lokal: Beteiligung der Hasel |
gräser- und kräuterreich |
Tabelle 1: Holozäne Vegetationsgeschichte des Nördlichen Oberrheintals (verändert nach LESSMANN 1983).
Das Rheinhessische Tafel- und Hügelland ist bereits seit dem Paläolithikum besiedelt und wird seit dem Neolithikum wohl ständig ackerbaulich genutzt. Auch deshalb ist heute kaum noch die ursprüngliche Vegetation, die sich nach dem Ausgang der letzten Kaltzeit ausbreitete, vorhanden. Die Naturlandschaft ist deutlich von einer Kulturlandschaft verdrängt worden.
Die Kernfrage, die sich für die Vegetationsgeschichte des Tafel- und Hügellandes stellt, ist, ob im Postglazial eine Wiederbewaldung eingetreten ist oder ob seitdem immer eine steppenartige Vegetation verbreitet war.
LESER (1969) nimmt aufgrund prähistorischer Funde noch an, daß eine kurzfristige Bewaldung mit lichtem Eichenwald, der aber stets von Steppenheideflächen durchsetzt war, stattgefunden hatte. Seit dem Atlantikum verhinderte dann allerdings der fortwährende Ackerbau eine zunehmende (Wieder)Bewaldung. Ein ausgesprochenes Waldklima, wie es in anderen Bereichen Deutschlands herrschte und weiterhin herrscht, hat in Rheinhessen wohl niemals bestanden. Ein Kriterium für diese Annahme sind die heutigen Klimaverhältnisse. So werden in vielen Bereichen, in der für den Waldwuchs wichtigen Periode von Mai bis August, die zum Waldwuchs erforderlichen 200mm Niederschlag (generelle Faustregel!) nicht erreicht. Selbst wenn diese vorhanden sind, versickert der Niederschlag in weiten Bereichen so schnell, daß eine Bodenbevorratung nicht möglich ist. Ein weiteres Kriterium für diese Annahme sind die bis heute erhaltenen Steppenböden in Rheinhessen.
LESSMANN (1983) kommt dann auch, mit Hilfe von Pollenanalysen an Mineralböden, zu dem Schluß, daß der hohe Anteil von Nicht-Baumpollen an der Gesamtpollenmenge dafür spricht, daß keine Wiederbewaldung des Rheinhessischen Tafel- und Hügellands nach der letzten Kaltzeit stattgefunden hat. Ein charakteristisches Pollenspektrum im Würmlöß zeigt mehrere Vertreter einer kräuterreichen Steppe: Artemisia (Beifuß), Helianthemum (Sonnenröschen), Polygonum (Knöterich), Chenopodiaceen (Gänsefußgewächse), Plantaginaceen (Wegerichgewächse) und Compositen.
Als eine wesentliche Folgerung aus diesem Untersuchungsergebnis bleibt deshalb auch festzuhalten, daß die Vegetationsentwicklung im Rheinhessischen Tafel- und Hügelland weitgehend die Entwicklung der Steppenböden in diesem Bereich mitbestimmt haben wird.
Fragen?
>>> Kontakt