Vegetationszonen Svalbards*

Abstract

This essay presents a new map of vegetation zones of Svalbard. In contrast to previous zonal maps, which are mostly based on floristical criteria phytosociological criteria were used to characterize and divide the vegetation zones in this map.
The method used for the construction of the map is described after a short review of the present state of knowledge.

The main objectives of the study are the description of the vegetation zones and their abiotic conditions as well as the discussion of the presented map.

* Grundlagen dieser Seite:
Vortrag Arbeitskreis Norden, Bremen 1998 und Artikel
"Die Vegetationszonen Svalbards".
– Norden 13 (1999): 55-68.


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1. Einleitung

Vegetationsgeographische oder pflanzengeographische Gliederungen des Inselarchipels Svalbard (zwischen 74 und 81°N sowie 10 und 35°E) wurden bereits von mehreren Autoren vorgenommen. Sie beruhen überwiegend auf floristischen Kriterien. Durch unterschiedliche Ansätze und einen sich entwickelnden Kenntnisstand entstanden von verschiedenen Autoren dementsprechend unterschiedliche Einteilungen.


Im folgenden wird eine weitere vegetationsgeographische Gliederung Svalbards vorgestellt, bei der allerdings nicht floristische, sondern pflanzensoziologische Kriterien zur Abgrenzung einzelner Vegetationszonen herangezogen wurden. Zentrale Gegenstände und die dahinter stehenden Fragestellungen sind demnach:

  • die Gliederung und Abgrenzung der Vegetationszonen Svalbards,
  • die kartographische Erfassung und Darstellung der einzelnen Vegetationszonen,
  • die abiotischen Rahmenbedingungen für die Existenz der Vegetationszonen sowie
  • der Wert pflanzensoziologischen Arbeitens für die Gliederung und Abgrenzung von Vegetationszonen.
Dryas-Heide (MoI)
Dryas-Heide im Herbstaspekt.

Zwischen Vegetationsfülle
und -leere
an Grenzstandorten

Monacobreen (MoI)
Kalbende Front des Monacobreen, Liefdefjord.

2. Der bisherige Kenntnisstand

Auf der Grundlage der Verbreitung der Gefäßpflanzenarten erstellt bereits NATHORST (1883) eine Karte, in der die artenreichsten Gebiete Spitzbergens umgrenzt sind (vgl. Abb. 1). Die inneren Bereiche des Isfjorden umfassen darin als florenreichstes Gebiet 114 Gefäßpflanzenarten, 93 % der damals bekannten Arten. Ein größerer Bereich vom Hornsund im Südwesten bis zum Sorgfjorden im Nordosten umfaßt darüber hinaus bereits alle im Jahre 1883 bekannten Arten, von denen 31 auf dieses Gebiet beschränkt sind. Als Begründung für die Konzentration der Pflanzenarten in diesem Gunstraum nimmt NATHORST (op.cit.) an, daß es sich - mit Ausnahme des Gebietes südlich des Bellsunds - um die kontinentalsten Bereiche Spitzbergens handelt.


Vier außergewöhnlich florenreiche Gebiete Spitzbergens beschreibt RØNNING (1963). Das Lagemuster der artenreichen Gebiete (vgl. Abb. 2) läßt sich seiner Meinung nach jedoch besser durch vegetationshistorische als durch klimatische Gründe erklären (Überwinterungshypothese, s.a. Kap. 4).


Eine Karte zur bioklimatischen Gliederung Svalbards ('zones of climate and vegetation') präsentieren SUMMERHAYES & ELTON (1928). Die Tieflandlagen Svalbards werden darin in vier Zonen untergliedert: 'Barren Zone', 'Dryas Zone', 'Cassiope Zone' und 'Inner Fjord Zone'. Sie differenzieren Svalbard dabei über wenige Indikatorplanzenarten in Zonen, die von Bereichen ungünstigsten Wuchsklimas bis zu den ökoklimatisch günstigsten Bereichen reichen. Die Gliederung bietet auch heute noch gute Anhaltspunkte, obwohl sie eigene Ungenauigkeiten beinhaltet. So zum Beispiel im Bereich der flächenmäßig größten Zone, der 'Dryas Zone', die nach dem dominierende Vorkommen der Silberwurz benannt ist. Im Bereich des Storfjorden an der Ostküste Spitzbergens fehlt Dryas octopetala in weiten Bereichen, weshalb dort ergänzend das Auftreten des Wollgrases Eriophorum scheuchzeri als Indikator dieser Zone angesehen werden muß.


Eine Karte der Vegetationsregionen Svalbards und Jan Mayens im Maßstab 1 : 1 000 000 entwickelte BRATTBAKK (1986). Entsprechend der Karte der Vegetationsregionen Norwegens (vgl. DAHL ET AL. 1986) wird darin das Konzept der zonalen Vegetationsgliederung mit dem der Vegetationshöhenstufen vereint, wodurch lokale Gradienten stark betont werden. Auch in dieser Karte werden vier Zonen ausgegliedert, die in zwei Regionen, der 'Mid Arctic Region' und der 'High Arctic Region', angeordnet sind. Die 'Papaver dahlianum zone' der 'High Arctic Region' stimmt in groben Zügen mit der 'Barren Zone' SUMMERHAYES & ELTONs (op.cit.) überein. Neben ihr kommen in der 'High Arctic Region' allerdings zusätzlich Teile der 'Salix polaris zone' vor, die mit den ungünstigsten Bereichen der 'Dryas Zone' von SUMMERHAYES & ELTON korrespondieren. Der übrige Teil der 'Dryas Zone' fällt dagegen in die 'Dryas octopetala zone' BRATBAKKs, die insgesamt der 'Mid Arctic Region' angehört. Die 'Cassiope tetragona zone' BRATBAKKs umfaßt letztlich die 'Cassiope Zone' und die 'Inner Fjord Zone' SUMMERHAYES & ELTONs. Sie bleibt auf Tieflandlagen unter 300 m in der 'Mid Arctic Region' beschränkt.


ELVEBAKK (1989) dagegen berechnet für die Tieflandlagen von 163 subjektiv definierten Florengebieten Thermophilitätsindizes, in die die zuvor nach ihren Wärmeansprüchen kategorisierten Gefäßpflanzenarten eingehen. Die auf diesem Wege erhaltenen Indexwerte für die Florengebiete erlauben es eine Vegetationskarte Svalbards zu erstellen, in der bis dahin angenommene Zonengrenzen in vielen Bereichen revidiert werden konnten. Außerdem wurde die Bezeichnung der Zonen allgemein anerkannten großräumigen Gliederungen angepaßt (vgl. auch ELVEBAKK 1985) und mit der 'Inner Fjord Zone' in Spitzbergen eine Subzone innerhalb der 'Middle Arctic Tundra Zone' ausgegliedert, die die für den Pflanzenwuchs günstigsten Bereiche umfaßt (vgl. Abb. 4).

3. Methodisches Vorgehen

Die Grundlage zur Abgrenzung der Vegetationszonen bilden an die 1000 eigene pflanzensoziologische Aufnahmen, die nach der Methode von BRAUN-BLANQUET (1963) überwiegend auf der Hauptinsel Spitzbergen erhoben wurden. Nach der Aufstellung der über Tabellenarbeit erhaltenen Pflanzengesellschaften wurde die Pflanzengesellschaften der Tieflandlagen unter 200/300 m den domierenden Standortmerkmalen folgend zu Vegetationstypen geordnet. Bei Vegetationstypen handelt es sich um Phytozonösegruppierungen von bedingt homogener Struktur und beinahe einheitlicher Synökologie. Da die Einteilung nach dem äußeren Habitus zugleich eine Gruppierung nach mehr oder weniger soziologisch verwandten Vegetationseinheiten ist (vgl. THANNHEISER 1992), bilden sie ein integratives Gliederungskriterium, das durch die in der Fläche dominierende Pflanzengemeinschaften ergänzt wurde. In die pflanzensoziologische Auswertungsarbeit wurden selbstverständlich auch die in diesem Kontext relevante Literatur einbezogen (vgl. Abb. 5).

Nathorst 1993 (MoI)

Abb. 1: Florenreiche Gebiete Spitzbergens nach Nathorst (1883).
Die geschlossene Linie umfaßt einen Bereich, in dem 93 % der Sippen vorkommen, die 1883 bekannt waren. Die gerissene Linie umschließt dagegen ein Gebiet, in dem alle damals bekannten Sippen vorhanden sind.

Abb. 2: Florenreiche Gebiete Spitzbergens nach Rønning (1963).

Abb. 3: Bioklimatische Zonen Svalbards nach Summerhayes & Elton (1928).
Verbindungslinien wurden hinzugefügt.
BZ = Barren Zone,

DZ = Dryas Zone,

CZ = Cassiope Zone,

IFZ = Inner Fjord Zone.

Abb. 4:    Vegetationsgeographische Gliederung Svalbards nach Elvebakk (1989).

APDZ = Arctic Polar Desert Zone,

NATZ = Northern Arctic Tundra Zone,

MATZ = Middle Arctic Tundra Zone,

IFZ = Inner Fjord Zone.

Abb. 5: Klassifikation für Vegetationszonen Svalbards.


Insbesondere zur Abgrenzung, der kartenmäßigen Festlegung, der Vegetationszonen wurde außerdem das umfangreiche Farbinfrarot-Luftbildmaterial des Norsk Polarinstitutts mit ausgewertet. Dies erfolgte mit sehr unterschiedlicher Intensität: Von der rein visiuellen Auswertung bis hin zur computergestützten Auswertung mittels GIS- und Satellitenbildbearbeitungstechniken (siehe zum Beispiel MÖLLER, THANNHEISER & WÜTHRICH 1998).

4. Ergebnis: Die Vegetationszonen Svalbards

Die Abbildung 6 enthält die kartographische Umsetzung des Ergebnisses der Arbeit. Es konnten - wie bei ELVEBAKK (1989) - vier Vegetationszonen bzw. drei Zonen und eine Subzone ausgeschieden werden. Damit keine neuen Begriffe für inhaltlich ähnliche Sachverhalte gebildet werden, wurden die Bezeichnungen der Vegetationszonen weitgehend wiederverwendet:


Die 'Arctic Polar Desert Zone' wird mit 'Arktische Polarwüsten-Zone' übersetzt, die 'Northern Arctic Tundra Zone' mit 'Nördliche Arktische Tundren-Zone' und die 'Middle Arctic Tundra Zone' mit 'Mittlere Arktische Tundren-Zone'. Die 'Inner Fjord Zone' wird allerdings in 'Innere Arktische Fjord-Zone' umbenannt, damit des Schema der Benennung einheitlich und die Bezeichnung dieses Gunstraums innerhalb der Mittleren Arktischen Tundrenzone auch großräumig auf andere Regionen außerhalb Svalbards übertragbar bleibt.


Im Folgenden werden die einzelnen Vegetationszonen kurz vorgestellt.

Abb. 6:    Vegetationszonen Svalbards (hier ohne die Bjørnøya, die sich innerhalb der MATZ befindet).


4.1 Arktische Polarwüsten-Zone

Die Arktische Polarwüsten-Zone umfaßt den Ostküstenbereich Spitzbergens, die Küstenbereiche und den Ostteil des Nordaustlandets, die östlichen Bereiche der Edge- und Barentsøya sowie die kleineren Inseln Hopen, Kong-Karls-Land und Kvitøya. Die aus den wenigen Gefäßpflanzenarten aufgebauten Pflanzengesellschaften sind meist nur fragmentarisch entwickelt und bilden eine sehr schüttere und lückige Vegetationsdecke aus, in der Kryptogamen eine große Bedeutung zu kommt. Die Vegetationsbedeckung erreicht im Übergang zur Nördlichen Arktischen Tundren-Zone gelegentlich noch Werte um 20 %. Als Durchschnittswert können jedoch 5 - 10 % angenommen werden, auch wenn viele Gebiete vollkommen vegetationslos sind. Wie die oberirdische Vegetationsausbreitung ist auch das unterirdische Wurzelgeflecht bei weitem nicht geschlossen.

Moospolster (MoI)

Kryptogamen (hier Moospolster von Bryum cryophyllum) haben größere Anteile an der Vegetationszusammensetzung in der Arktischen Polarwüstem-Zone.


Eine größere Humusakkumulation und eine Torfbildung findet in der Arktischen Polarwüsten-Zone nicht mehr statt. Eine extrazonale Vegetation fehlt in der Arktischen Polarwüste (WALTER & BRECKLE 1986). Als zonale Vegetation können die Schuttgesellschaften des Arktischen Mohns (Papaver dahlianum), der Verband Papaverion dahliani Hofmann 68 all. prov., angesehen werden, obwohl eine genauere Umschreibung des Verbandes noch notwendig erscheint. So ordnet zum Beispiel DIERSSEN (1992 und 1996) die Kernassoziation des Verbandes, das Papaveretum dahliani Hofmann 1968, dem Verband Arenarion norvegicae Nordhagen 1935 zu. Das Fehlen von Gesellschaften der Silberwurz- und Nacktriedfluren, des Verbandes Caricion nardinae Nordhagen 1935, setzt die Zone zusätzlich von der Nördlichen Arktischen Tundren-Zone ab. Die Abgrenzung der Arktischen Polarwüsten-Zone gegenüber der Nördlichen Arktischen Tundren-Zone entspricht der Grenzziehung ELVEBAKKs (1989). Wenn man großräumige Gliederungskonzepte der Arktis berücksichtigt (z.B. ALEKSANDROVA 1980, WALTER & BRECKLE 1986 oder YURTSEV 1994), müßte die Grenze zur Nördlichen Arktischen Tundren-Zone im Bereich der 2°C-Juli-Isotherme liegen.

4.2 Nördliche Arktische Tundren-Zone

Die Nördliche Arktische Tundren-Zone löst in Ostspitzbergen die Arktische Polarwüsten-Zone landeinwärts ab und zieht sich um die Nordküste herum bis an die Westküste. Dort nimmt sie - mit Ausnahme des Ausgangs des Hornsunds - die küstennahesten Bereiche ein und dehnt sich in Südspitzbergen über die größte Landesfläche aus. Darüber hinaus gehören die westlichen Bereiche der Edge- und der Barentsøya sowie die inneren Küstenabschnitte und landwärtigen Bereiche Nordwest-Nordaustlandets dieser Zone an. Die Vegetationsbedeckung variiert in der Zone zwischen 10 und 25 %, wobei auch die durchschnittliche Wuchshöhe und der Entwicklungsstand der Vegetation größer ist als in der Arktischen Polarwüsten-Zone. Mit der Zunahme der Vegetationsbedeckung nimmt auch die Bedeutung von Gräsern und grasartigen Pflanzen zu. Zudem exisiteren bereits einige Zwergstrauchbestände der Polarweide (Salix polaris) und der Silberwurz (Dryas octopetala). Sie sind jedoch selten, niedrigwüchsig und lückig. Für die Nördliche Arktische Tundren-Zone sind Pflanzengesellschaften der Vegetationstypen Schneeboden- und Fleckentundravegetation charakteristisch. Als kennzeichnende, dominierende Einzelarten können u.a. die bereits erwähnte Polarweide, Cerastium regelii und das Gras Phippsia algida für die Schneebodenvegetation sowie die Hainsimse Luzula arcuata ssp. confusa und der Wechselblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) für die Fleckentundra herausgestellt werden. Die zonale Vegetation repräsentieren Gesellschaften des Verbandes der Arktischen Hainsimse (Luzulion arcticae (Nordhagen 1936) Gjærevoll 1950). Einige Gesellschaften des Caricion nardinae (Silberwurz- und Nacktriedfluren) treten in dieser Zone zwar schon auf, sind aber auf leichte Höhenrücken beschränkt und schlecht entwickelt.

Fleckentundra (MoI)

Der Vegetationstyp der Fleckentundra (hier u.a. mit Saxifraga oppositifolia).

Schneeboden (MoI)

Die Schneebodenvegetation (hier ein Salix polaris-Bestand im Herbstaspekt).


4.2.1 Das Beispiel Eidembukta

Die Pflanzendecke auf der Küstenebene der Svartfjellstranda ist stark durch den maritimen Einfluß des Forlandsundet geprägt und hinterläßt beim Betrachter einen monotonen Eindruck. Das Kleinrelief, die edaphischen und die mikroklimatischen Faktoren differenzieren die unterschiedlichen Pflanzenkombinationen, wobei unterschiedliche Schneemächtigkeiten - und damit unterschiedlich starker Frostschutz und verschieden lange Aperzeiten - die größten Auswirkungen hinterlassen. Den dominierenden Standortmerkmalen folgend konnten die insgesamt 22 Phytozönosen in fünf Vegetationstypen geordnet werden:

  • Fleckentundravegetation,
  • Schneebodenvegetation,
  • Wasser- und Naßstellenvegetation,
  • Moostundravegetation,
  • Zwergstrauchheiden.

In dem idealisierten Blockprofil (vgl. Abb. 7) wird die ungefähre Verteilung der wichtigsten Vegetationseinheiten dargestellt. Daneben ist auch ihr Bedeckungsgrad angedeutet, wobei die dichte Vegetation der Vogelrastplätze hervortritt. Neben dem hohen Bedeckungsgrad ist auch die hohe Phytomasse dieser Bestände auffallend, welche letztlich die durch den Vogelkot günstige Nährstoffsituation dieser Standorte wiederspiegelt (vgl. THANNHEISER, MÖLLER & WÜTHRICH 1998). Der Schnee ist das prägende Element für die Vegetation an der Eidembukta. Wegen der eingeschränkten Vegetationsperiode von vier bis sechs Wochen und der reduzierten Erwärmung sind die Phytozönosen der Schneetälchen am häufigsten anzutreffen. Der Vegetationstyp der Wasser- und Naßstellenvegetation nimmt nur wenige Quadratmeter große Flächen entlang der Bach- oder Seeufer bzw. innerhalb von Rieselwasserflächen ein. Die Moostundra ist im Untersuchungsgebiet weit verbreitet. Der Vegetationstyp wird von Moosen den Drepanocladus uncinatus, Tomenthypnum nitens und Racomitrium canescens geprägt und bildet eine fast zusammenhängende Vegetationsdecke aus.

Eidembukta (MoI)

In der Küstenebene überlagern Stereocaulon-Flechten flächig die Bestände.

Abb. 7: Idealprofil an der Eidembukta (NATZ)

Svartfjellstranda (MoI)

Ebene der Svartfjellstranda


Nur zwei Gesellschaften finden sich in dem Vegetationstyp der Zwergstrauchheide wieder. Sie sind von Dryas octopetala geprägt und besiedeln vorrangig die Kanten von alten Strandterrassen im oberen Drittel der Untersuchungsfläche. Die am Rande ihrer Existenzmöglichkeiten vorhandene Zwergstrauchheide ist nur fragmentarisch entwickelt. Der Vegetationstyp der Fleckentundra ist von sehr schütterem Bewuchs und wird von einzelnen Vegetationsinseln geprägt, die bevorzugt in Strandnähe und auf den höchsten Erhebungen anzutreffen sind. Die Vegetationsbedeckung ist lückenhaft und die dominierende Pflanze des Vegetationstyps Saxifraga oppositifolia.

4.3 Mittlere Arktische Tundren-Zone

Auf Spitzbergen geht die Nördliche Arktische Tundren-Zone generell entlang der zunehmenden Kontinentalität in Richtung der Fjordinneren in die Mittlere Arktische Tundren-Zone über. Da der Vegetationstyp der Zwergstrauchheiden zum charakteristischen Element wird, liegt im Übergang von Nördlicher zu Mittlerer Arktischer Tundren-Zone ein Wandel in der Vegetationsstruktur vor. Dryas octopetala- und, an begünstigten Standorten, Dryas octopetala-Cassiope tetragona-Gesellschaften können dichte Bestände ausbilden. Wuchshöhen von 30 cm werden von ihnen allerdings nur selten erreicht.

Dryas (MoI)

Dryas octopetala-Gesellschaften im Woodfjorddalen.


Im allgemeinen beträgt die Vegetationsbedeckung 25 - 50 %, kann aber durch die Ausbreitung von Moosen auf über 75 % und mehr ansteigen. Unterirdisch bildet das pflanzliche Wurzelsystem allerdings stets ein dichtes, geschlossenes Netzwerk aus. An nassen Standorten herrschen Seggen-Moos-Bülten vor. Die Gesellschaften des Verbandes Caricion nardinae Nordhagen 1935 bilden die zonale Vegetation, wobei die Dryas octopetala-Cassiope tetragona-Gesellschaften (Dryado-Cassiopetum tetragonae Hadač (1946) 1989) eine Trennung gegenüber der Nördlichen Arktischen Tundrenzone ermöglichen.

 

Berücksichtigt man auch hier nocheinmal die angesprochenen großräumigen Gliederungskonzepte der Arktis, so fällt die "Südgrenze" der Mittleren Arktischen Tundrenzone etwa mit der 5 - 6°C-Juli-Isotherme zusammen.

4.3.1 Beispiel Liefdefjord

Nach pflanzensoziologischen Untersuchungen am Liefdefjorden präsentiert THANNHEISER (1992) ein idealisiertes Blockprofil zur Anordnung von Vegetationstypen (vgl. Abb. 8). Obwohl die Schneebodenvegetation aufgrund der lokalen Verhältnisse (nordexponierter Hang) etwas gegenüber den übrigen Vegetationstypen hervortritt, kann das Schema der Vegetationsanordnung durchaus als typisch für die Höhenstufung von Vegetationstypen in der Mittleren Arktischen Tundren-Zone Spitzbergens angesehen werden. Zwischen dem Meeresniveau und etwa 200, manchmal auch 300 m über dem Meer findet sich eine zusammenhängende, stellenweise recht dichte Pflanzendecke, die nur durch Schwemmfächer und Schuttkegel unterbrochen wird. Selbst zur oberen Grenze hin sind vielfach noch 50 % der Oberfläche vegetationsbedeckt. Den standortökologischen Eigenschaften entsprechend stellt sich ein Vegetationsmosaik ein, in dem alle Vegetationstypen miteinander verzahnt vorkommen. Die Vegetationstypen Zwergstrauchheide und Schneebodenvegetation haben die weiteste Ausbreitung. Ab 200 bzw. 300 m über dem Meer wird die Vegetationsbedeckung deutlich geringer. Ab dieser Höhe erlangt der Vegetationstyp der Fleckentundra flächenmäßig eine große Bedeutung; zunächst im Verbund mit der Schneebodenvegetation, mit zunehmender Höhe allein.

Abb. 8: Idealprofil zum Untersuchungsgebiet am Liefdefjord (MATZ; aus: Thannheiser 1992, leicht verändert).


4.4 Innere Arktische Fjord-Zone

Als Subzone der Mittleren Arktischen Tundren-Zone kennzeichnet die Innere Arktische Fjord-Zone die für den Pflanzenwuchs günstigste Zone Svalbards. In dieser Subzone kommen mehr als 75 % aller Pflanzenarten Svalbards vor. Die Zwergstrauchheiden bleiben der charakteristische Vegetationstyp. Neben Pflanzengesellschaften von Dryas octopetala und Cassiope tetragona treten unter anderem Gesellschaften mit größerem Wärmeanspruch, wie die Gesellschaften der Zwittrigen Krähenbeere (Empetrum nigrum ssp. hermaphroditum) und, jedoch seltener, der Kleinblättrigen Rauschbeere (Vaccinium uliginosum ssp. microphyllum) oder sogar der Zwergbirke Betula nana (vgl. z.B. MÖLLER & THANNHEISER 1996).

Vaccinium (MoI)

Vaccinium uliginosum ssp. microphyllum  im Mimerdalen.


5. Die abiotischen Rahmenbedingungen

Eine großräumige, breitenkreisorientierte Anordnung der vegetationsgeographischen Zonen und Subzonen wird in den meisten Fällen als Ausdruck des klimatischen Wandels entlang des Nord-Süd-Gradienten angesehen. Bei lokaler Betrachtung können hingegen geologische, morphologische, edaphische oder hydrologische Gegebenheiten eine größere Bedeutung für die Vegetationsausprägung erlangen als die makroklimatischen Verhältnisse.

Bei Betrachtung der Vegetationszonenkarte zeichnen sich drei Gradienten innerhalb des Inselarchipels ab:

  • ein Nord-Süd-Gradient und
  • ein West-Ost-Gradient sowie
  • ein Gradient von der Küsten ins Inland.

Diese Gradienten lassen sich im großräumigen Überblick auch hinreichend aus den klimatischen Faktoren erklären, wobei stets die Insellage und das Relief mitzuberücksichtigen sind. Für eine vollständige Interpretation müssen allerdings noch vegetationshistorische und geologische Gegebenheiten hinzugezogen werden.

Neben dem Einfluß unterschiedlicher Luftmassen - einerseits kalte, trockene arktische Luftmassen aus nördlichen und östlichen Richtungen, andererseits milde, feucht-maritime Luftmassen aus südlichen und westlichen Richtungen - werden die klimatischen Verhältnisse erheblich durch die vorherrschenden Meeresströmungen beeinflußt bzw. erhalten eine regional differenzierte Ausprägung. Entlang der Westküste Spitzbergens zieht der warme Westspitzbergenstrom, ein von Nordnorwegen kommender Ausläufer des Golfstromsystems, nach Norden.

Nebelbank (MoI)

Nebelbank rückt an der Küste landwärts vor.


Im Winter verursacht dieser Strom westlich von Spitzbergen das nördlichste Gebiet offener See in der Arktis. Östlich von Svalbard strömt dagegen der aus dem Nordpolarbecken kommende kalte Ostspitzbergenstrom nach Süden, dringt dabei an den Südausgang der Hinlopen-Stretet zwischen Spitzbergen und Nordaustlandet, umströmt die Insel Hopen und trifft bei der Bjørnøya auf die Ausläufer des Golfstroms. Durch den Ostspitzbergenstrom gelangt die Meereisgrenze auf der Ostseite Spitzbergens im Sommer erheblich weiter nach Süden als an der Westseite.

An der Westküste Spitzbergens liegen die Mitteltemperaturen des wärmsten Monats, Juli, um 5°C. Temperaturen außerhalb des Bereichs von 1 - 10°C sind eher ungewöhnlich und Temperaturen über 15°C äußerst selten. Während der kältesten Zeit des Jahres, im Januar/Februar/März, bewegen sich die Mitteltemperaturen dagegen zwischen -8°C und -16°C. Von der meteorologischen Station Isfjord Radio an der Mündung des Isfjorden nehmen die Wintertemperaturen gegen Norden und Osten ab, gegen den Innerfjordbereich im Osten durchschnittlich um etwa 2 - 4°C. Da im Innerfjordbereich die Sommertemperaturen zudem etwas höher liegen als an der Küste, zeichnet sich zwischen beiden Bereichen ein Ozeanitäts-/Kontinentalitätsgefälle ab, das durch die Ausprägung weiterer Klimaparameter belegt wird.


Die Niederschläge zum Beispiel liegen durchschnittlich zwischen 350 - 480 mm pro Jahr an der Westküste und etwa 190 - 300 mm pro Jahr in den Innerfjordbereichen. Im allgemeinen fallen die größten Niederschlagsmengen im Bereich der exponierten Gebirgskette Westspitzbergens. Demgegenüber befinden sich die Innerfjordbereiche in einer ausgesprochenen Leelage, die sie vor den niederschlagsbringenden Luftströmungen abschirmt und geringere Niederschlagsmengen bedingt. Für den Liefdefjord und den Woodfjord können Jahressummen um 200 mm angenommen werden, für den inneren Wijdefjord und Teile Ostspitzbergens etwa 150 mm. Neben den höheren Niederschlagsmengen sind an der Westküste - wie an den Küsten insgesamt - auch eine wesentlich höhere Nebelhäufigkeit und eine größere Anzahl wolkenbedeckter Tage zu verzeichnen als in den Fjordinneren.

Betrachtet man nun noch einmal den Einfluß der klimatischen Verhältnisse auf die Vegetationszonen, so ist festzustellen, daß für die Arktische Polarwüsten-Zone, aber auch für die Nördliche Arktische Tundren-Zone, der Einfluß des Ostspitzbergenstroms und die häufigen Nebelsituationen an den Küsten von großer Bedeutung sind. Durch sie kann eine nur geringe Sommerwärme entstehen, wodurch letztlich eine nur geringe Pflanzenartendiversität und geringe Entwicklungsmöglichkeiten für die Pflanzengemeinschaften bedingt sind.

Nebel (MoI)

Nebelsituation an der Westküste.


Die ökoklimatisch günstigste Zone Spitzbergens, die Innere Arktische Fjord-Zone findet sich dagegen im Landesinneren der großen Fjorde, wo mit der zunehmenden Kontinentalität eine geringere Nebelhäufigkeit mit zugleich steigenden Einstrahlungs- und Temperaturwerten während der Vegetationsperiode verbunden ist.

Zum Verständnis der Exklave der Mittleren Arktischen Tundren-Zone am Ausgang des Hornsundes dienen darüber hinaus vegetationshistorische Gründe. Dort finden sich isolierte Vorkommen von Pflanzenarten (Salix herbacea und Ranunculus glacialis), deren Existenz sich sehr gut mit der Nunatak-/Überwinterungshypothese erklären läßt.

Danach ist davon auszugehen, daß die Arten zu Beginn der letzten Kaltzeit aus einer reicheren Vegetation heraus dorthin zurückgedrängt wurden und ein Refugium zum Überdauern fanden (vgl. RØNNING 1996). Gleiches gilt auch für einige Pflanzenarten wie Carex capillaris, Euphrasia frigida, Botrychium lunaria und Sibbaldia procumbens nahe der warmen Quellen am Sverrefjellet im Bockfjord (Nordwestspitzbergen). Bei den warmen Quellen (mittlere Wassertemperatur etwa 15°C) handelt es sich um postvulkanische Erscheinungen, die eine positive Wärmeanomalie bewirken und somit beste Voraussetzungen für ein Überwinterungsrefugium bieten.

Bockfjord (MoI)

Warme Quellen im Bockfjorden (mit Sinterterrassen)


6. Diskussion

Im Vergleich zu der Vegetationszonenkarte ELVEBAKKs (1989) bestehen kleine Unterschiede, wenn auch nur im Detail. Beide Karten weisen doch große Gemeinsamkeiten auf, was durchaus erstaunlich ist, da die Karten auf unterschiedlichen Gliederungskriterien beruhen. Die zonalen Zuordnung einiger Bereiche Svalbards konnte mit der vorgelegten Karte revidiert und wohl auch verbessert werden. Hierbei geht es allerdings nicht allein um die Frage nach gut oder schlecht bzw. besser oder schlechter.

Der Wert der vorgelegten Vegetationszonenkarte liegt vielmehr in dem dahinterstehendem Konzept und seiner relativ schnellen Durchführbarkeit.


Die als Kartierungseinheit dienenden pflanzensoziologischen Einheiten sind als Typus exakt definiert, besitzen charakteristische Pflanzenarten oder Pflanzenartenkombinationen und weisen über größere Flächen eine homogene Struktur auf, so daß sie schnell erfaßbar sind.

St.Jonsfjorden (MoI)

Grasreiche Dyras-Heide im St. Jonsfjorden.


Da Pflanzengemeinschaften als Gliederungskriterium für großräumige Gliederungen weiterhin eine umfassendere Informationsbasis besitzen als beispielsweise einzelne Pflanzenarten, können zudem auch Extrema und Zufälligkeiten ("Ausreißer") in der Verbreitung besser aufgefangen werden.

 

Als Hilfsmittel im Zuge des Erstellens einer großräumigen Vegetationszonenkarte haben sich die verwendeten Farbinfrarot-Luftbilder bewährt. Sie vereinfachen nicht nur die Orientierung im Gelände und geben ein grundlegendes Lagemuster der Kartierungseinheiten vor. Bei genauer Kenntnis der Vegetationseinheiten ist es sogar möglich, einen Großteil der Vegetationstypen direkt aus dem Luftbild oder über computergestützte Auswertungsverfahren zu erschließen. Insofern helfen hinreichend aufgelöste Farbinfrarot-Luftbilder gerade in wenig zugänglichen Gebieten den Zeit- und Kostenaufwand von Kartierungen zu senken, auch wenn ihr Einsatz eine Geländearbeit vor Ort nicht ersetzen kann.


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